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Der Gebietserhaltungsanspruch (Baurecht)

Ein Grundstückseigentümer kann sich gegen ein Vorhaben auf einem Nachbargrundstück grundsätzlich dann mit Erfolg zur Wehr setzen, wenn die Genehmigung dieses Vorhabens ihn in seinen eigenen Rechten verletzt.

In diesem Sinn nachbarschützend sind solche baurechtlichen Bestimmungen, deren Verletzung nach dem erkennbaren Willen des Normgebers ein subjektiv-öffentliches (eigenes) Abwehrrecht des betroffenen Nachbarn begründen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 19.09.1986 – 4 C 8/84, Rn. 11, juris; OVG Hamburg, Beschluss vom 07.05.1990 – Bs II 65/90, Rn. 6, juris; VG Hamburg, Urteil vom 16.11.2010 – 11 K 3202/09, Rn. 14, juris). Eine umfassende Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Vorbescheides oder der Baugenehmigung findet dagegen im Rahmen des von einem Nachbarn eingelegten Rechtsbehelfs grundsätzlich nicht statt. Entscheidungserheblich ist allein, ob solche baurechtlichen Normen verletzt sind, die dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. hierzu auch VG Hamburg 11. Kammer, Urteil vom 22.11.2011 – 11 K 1237/09, dort Entscheidungsgründe Seite 8/9).

Subjektiv-öffentliche Rechte des Nachbarn im vorgenannten Sinne können sich z. B. (aber nicht nur) ergeben aus einem sog. Gebietserhaltungsanspruchs oder aber auch aus dem in § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO verankerten nachbarschützenden Gebot der Rücksichtnahme.

  1. Was versteht man im Baurecht unter dem sog. Gebietserhaltungsanspruch?

    Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan nachbarschützende Funktion zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet (zu unterscheiden vom: Plangebiet).

    Ein Nachbar im Baugebiet soll sich selbst dann gegen die Zulassung einer gebietswidrigen Nutzung wenden können, wenn er durch sie selbst nicht unmittelbar beeinträchtigt wird. Dieser bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen.

    Der Hauptanwendungsfall im Bauplanungsrecht für diesen Grundsatz sind die Festsetzungen eines Bebauungsplans über die Art der baulichen Nutzung. Durch sie werden die Planbetroffenen im Hinblick auf die Nutzung ihrer Grundstücke zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbunden. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des eigenen Grundstücks wird dadurch ausgeglichen, dass auch die anderen Grundeigentümer diesen Beschränkungen unterworfen sind. Im Rahmen dieses nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll daher jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindern können (vgl. hierzu auch z. B. VG Hamburg 11. Kammer, Urteil vom 22.11.2011 – 11 K 1237/09, dort Entscheidungsgründe Seite 10 mit Verweis auf BVerwG, Beschluss vom 18.12.2007 – 4 B 55/07, Rn. 5, juris; BVerwG, Urteil vom 16.09.1993 – 4 C 28/91, Rn. 12, juris).

  2. Kann der Gebietserhaltungsanspruch auch gebietsübergreifend geltend gemacht werden?

    Unter engen Voraussetzungen ist ein solcher Anspruch möglich. Ein gebietsübergreifender Schutz des Nachbarn vor gebietsfremden Nutzungen im lediglich angrenzenden Plangebiet setzt den erkennbaren Willen des Plangebers voraus, dass Gebietsausweisungen in einem Bebauungsplan auch dem Schutz der jenseits der Gebietsgrenze liegenden benachbarten Bebauung dienen sollen (vgl. hierzu z. B. VG Hamburg 9. Kammer, Beschluss vom 13.09.2013, 9 E 3452/13). Dies ist stets anhand der Planunterlagen und Planbegründung im Einzelfall zu untersuchen.

  3. Was versteht man unter dem Gebot der Rücksichtnahme nach § 15 BauNVO?

    Nach dieser Vorschrift sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. § 15 Abs. 1 S. 1 BauNVO soll innerhalb des betroffenen Baugebiets Nachbarn einen Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung des Baugebiets vermitteln (so z. B. auch VG Hamburg 11. Kammer, Urteil vom 22.11.2011 – 11 K 1237/09, dort Entscheidungsgründe Seite 17 mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 25.11.1983, a.a.O., Rn.14; OVG Hamburg, Beschluss vom 04.05.2009 – 2 Bs 154/08, Ls. 3, juris).

  4. Und wenn der betroffene Nachbar selbst sein Grundstück „baugebietswidrig“ nutzt?

    Auch wenn die planwidrige Nutzung des Nachbarn möglicherweise genehmigt erfolgt, kann es in einem solchen Fall an der notwendigen Bindung an die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen, die das wechselseitige Austauschverhältnis und damit den Anspruch erst sachlich begründen, fehlen (vgl. hierzu Verwaltungsgericht Hamburg, Kammer 9, Beschluss vom 31.07.2014, Az. 9 E 3054/14, Gründe Seite 12/13 mit Verweis auf OVG Hamburg, Beschl. v. 17.6.2013, NVwZ-RR 2013, 990). Bisher geht die Rechtsprechung lediglich davon aus, dass eine (eigene) planwidrige Nutzung des Nachbarn der Berufung auf einen Anspruch (nur) gegenüber einer gleichen planwidrigen Nutzung entgegensteht (a. a. O. mit Verweis auf OVG Hamburg, Beschl. v. 17.6.2013, a.a.O.; VGH München Beschl. v. 15.3.2011, 15 CS 11.9, juris). Die Kammer 9 des Verwaltungsgerichts Hamburg vertrat darüber hinaus außerdem bereits die Auffassung, dass dies jedenfalls auf die Fälle auszudehnen ist, in denen eine zwar formal andere, im Kern aber gleichartige Nutzung abgewehrt werden soll (Verwaltungsgericht Hamburg, Kammer 9, Beschluss vom 31. Juli 2014 – 9 E 3054/14, dort Entscheidungsgründe Seiten 13/14). Die weitere Entwicklung der Rechtsprechung zu dieser Rechtsfrage bleibt abzuwarten.

  5. Rechtbehelfe zur Durchsetzung Ihrer Rechte?

    Gegen Bescheide/Genehmigungen, die Sie in der vorgenannten Weise in Ihren Rechten verletzen, können Sie z. B. Widerspruch einlegen, Anfechtungsklage erheben bzw. im Eilfalle einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung Ihres Widerspruchs gegen den angegriffenen Bescheid stellen. Hierbei gilt es mitunter knappe Fristen und rechtsbehelfsspezifische Voraussetzungen zu beachten. Informieren Sie sich daher unverzüglich über einzuhaltende Fristen, wenn Sie von einem entsprechenden Bauvorhaben Kenntnis erlangen und holen Sie erforderlichenfalls qualifizierten rechtlichen Rat ein.

  6. Urteile der Verwaltungsgerichte

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