Inhalt:
- Landgericht: Gemeinschaftseigentum? Mängel? Bauteilöffnungen sind zu dulden.
- Oberlandesgericht: Nein, so geht es nicht. Gemeinschaftseigentum kann „Wohnung“ sein.
- Bundesgerichtshof : So geht es wirklich nicht. Rechtsbeschwerde zurückgewiesen!
- Tl;dr
- Ihr Rechtsanwalt für Maklerrecht, Wohnungseigentumsrecht, Baurecht und Architektenrecht
Einige, aber nicht alle Mitglieder einer WEG streiten mit dem Bauträger wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum. Ein selbständiges Beweisverfahren beginnt, ein Bausachverständiger wird benannt. Der Sachverständige möchte Bauteilöffnungen am Gemeinschaftseigentum durchführen, um Feststellungen zu Baumängeln zu treffen. Die übrigen Wohnungseigentümer sind dagegen. Wie war die Rechtslage in den Instanzen bis zur Entscheidung des BGH vom 16.05.2013 – VII ZB 61/12?
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Landgericht: Gemeinschaftseigentum? Mängel? Bauteilöffnungen sind zu dulden.
Das Landgericht Landshut (03.08.2012 – 43 OH 3295/09) verurteilte „sämtliche Eigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft“, die Duldung von fachmännischen fachmännisch durchgeführten Bauteilöffnungen hinzunehmen. Betroffen waren eine Außentreppe, der Flachdachanschluss einer Wohnung, ein Eingangselement, die Decke des Fahrradkellers und die Tiefgaragendecke.
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Oberlandesgericht: Nein, so geht es nicht. Gemeinschaftseigentum kann „Wohnung“ sein.
Die verurteilten Wohnungseigentümer legten Rechtsmittel ein – mit Erfolg. Die Wohnung, so das OLG München (01.10.2012 – 13 W 1654/12-10), sei von einer Duldung sachverständiger Begutachtung ausgenommen, und zur Wohnung in diesem Sinne gehörten auch Nebenräume wie z. B. Garagen und das Treppenhaus. Die Duldungsanordnung des Landgerichts verstoße außerdem auch gegen Artikel 14 des Grundgesetzes – niemand und schon gar kein Dritter müsse Maßnahmen dulden, die sein Eigentum beschädigten.
Das OLG hob daher das Zwischenurteil des Landgerichts auf. Das wiederum wollten die antragstellenden Wohnungseigentümer nicht auf sich sitzen lassen und legten Rechtsbeschwerde ein. Der Bundesgerichtshof sollte entscheiden.
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Bundesgerichtshof : So geht es wirklich nicht. Rechtsbeschwerde zurückgewiesen!
Ein Gericht, so der BGH (Beschluss vom 16.05.2013 – VII ZB 61/12), kann einem am selbständigen Beweisverfahren nicht beteiligten Dritten wie hier z. B. den übrigen Eigentümern nicht aufgeben, eine Bauteilöffnung in seiner Wohnung zum Zwecke der Beweissicherung zu dulden. Zur „Wohnung“ in diesem Sinne würden auch eine im Gemeinschaftseigentum stehende Außentreppe, ein Fahrradkeller und eine Tiefgarage gehören.
Der verfassungsrechtliche Wohnungsbegriff sei umfassend zu verstehen. Schutzgut ist die gesamte räumliche Sphäre, in der sich das Privatleben entfaltet. Wohnung ist danach der zu Aufenthalts- oder Arbeitszwecken bestimmte und benutzte Raum einschließlich der Nebenräume und des angrenzenden umschlossenen freien Geländes. Dazu gehören Keller, Speicher, Treppen, Garagen, nicht allgemein zugängliche Geschäfts- und Büroräume und ähnliche Räume sowie umzäunte oder in anderer Weise der öffentlichen Zugänglichkeit entzogene Bereiche wie Gärten oder Vorgärten. Entscheidend sei, ob der jeweilige Raum oder die jeweilige Fläche für private Zwecke gewidmet und der Öffentlichkeit nicht frei zugänglich ist (Beschlussbegründung, Rn. 7).
Daher seien die hier relevanten Bauteile einer Begutachtung durch den Sachverständigen entzogen.
Unerheblich sei dabei, ob der Sachverständige ausschließlich von außen Bauteilöffnungen vornehmen muss, da der Außenbereich ebenso wie der Innenbereich über den verfassungsrechtlichen Wohnungsbegriff geschützt wird.
Tl;dr
Alleingänge von Wohnungseigentümern im Bereich des Gemeinschaftseigentums können vor Gericht schnell Schiffbruch erleiden, wenn die übrigen Eigentümer nicht einverstanden sind. Das gilt auch für selbständige Beweisverfahren.
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Ihr Rechtsanwalt für Maklerrecht, Wohnungseigentumsrecht, Baurecht und Architektenrecht
Rechtsanwalt Christian Trupke-Hillmer
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