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Vorhabenbezogene Baulast und nachträgliche Änderungen

Vorhabenbezogene Baulast und nachträgliche Änderungen

Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht (Hmb. OVG) verkündete in seinem Urteil vom 24.04.2002 zu dem Aktenzeichen 2 Bf 701/98 zur vorhabenbezogenen Baulast nach der Hamburgischen Bauordnung (HBauO) folgende Leitsätze:

1. Übernimmt ein Grundeigentümer eine Baulast, mit der die Genehmigungsvoraussetzungen für ein Vorhaben auf dem Nachbargrundstück geschaffen werden sollen, ist es eine Frage der Auslegung seiner Erklärung, ob die Wirksamkeit dieser Baulast auf das konkrete Vorhaben beschränkt ist.

2. Der typischen Interessenlage benachbarter Grundeigentümer ohne zusätzliche Sonderbeziehungen entspricht es, eine Baulasterklärung zugunsten eines Nachbarn nicht ohne Kenntnis der beabsichtigten Bebauung abzugeben. Wenn dem Erklärenden eine solche Kenntnis eines konkretisierten Vorhabens vermittelt worden war, spricht dies für einen Bezug der Baulast auf dieses Vorhaben und ihre Beschränkung hierauf.

3. Wird eine sog. Abstandsflächenbaulast übernommen, schließt sie eine nach § 68 Abs. HBauO erforderliche Zustimmung für das konkrete Vorhaben ein, gilt jedoch nicht notwendigerweise als Zustimmung für weitere Vorhaben oder Veränderungen des ursprünglichen Vorhabens.

4. Auch bei einer nur vorhabenbezogenen Baulast kann der Baulastübernehmer nicht jeglicher nachträglichen Änderung des auf Grundlage seiner Erklärung genehmigten Vorhabens widersprechen; vielmehr sind Änderungen denkbar, die weder seine Rechte noch seine Interessen berühren. Eine Veränderung, die ihrerseits für sich betrachtet erneut nach § 68 Abs. 3 HBauO zustimmungsbedürftig wäre – wie die Herstellung eines Erkers -, ist jedoch bei einer vorhabenbezogenen Baulast nicht schon im Vorwege eingeschlossen.

  1. Worum ging es in der Entscheidung 2 Bf 701/98?

    Gegenstand der Entscheidung war ein Streit über eine Beseitigungsanordnung wegen eines Erkers, der im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet worden ist. Zur in diesem Zusammenhang wichtigen Baulast erklärte das OVG:

    Nach § 79 Abs. 1 S. 1 HBauO können die in der Vorschrift genannten Berechtigten durch Erklärung gegenüber der Bauaufsichtsbehörde öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zu einem ihre Grundstücke betreffenden Handeln, Dulden oder Unterlassen übernehmen, die sich nicht schon aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergeben. Die Baulasterklärung stellt eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung dar, deren Abgabe von der Bauaufsichtsbehörde nicht verlangt werden kann, sondern die vom Grundstückseigentümer freiwillig abgegeben […] Die dadurch begründete Baulast dient (jedenfalls in der Regel) dazu, ein Genehmigungshindernis für ein konkretes Bauvorhaben auszuräumen und die Einhaltung des öffentlichen Baurechts zu gewährleisten […] Der Wortlaut der Vorschrift läßt es allerdings auch zu, losgelöst von einem konkreten Bauvorhaben eine rein abstrakte Baulast mit weitergehenden Wirkungen zu begründen.

    Ob das eine oder das andere gemeint ist, beurteilt sich nach dem OVG wie folgt:

    Ob eine Baulast eine in diesem Sinne vorhabenunabhängige oder eine vorhabenbezogene Bedeutung hat, ist eine Frage der Auslegung der abgegebenen Erklärung. Bei nicht eindeutigem Wortlaut ist für diese Auslegung die typische Interessenlage der Beteiligten zu berücksichtigen. Sofern nicht zusätzlich zweiseitige Beziehungen zwischen benachbarten Grundeigentümern bestehen und eine andere Beurteilung nahelegen, entspricht es der Interessenlage jedes Grundeigentümers, die Abgabe einer Baulasterklärung zugunsten seines Nachbarn nicht ohne Kenntnis dessen abzugeben, was dadurch als Bauvorhaben ermöglicht werden soll. Wenn eine Baulast zu einem Zeitpunkt übernommen wird, in dem das dadurch ermöglichte Bauvorhaben bereits durch genehmigte oder zur Genehmigung eingereichte Bauvorlagen konkretisiert ist und diese dem Baulastübernehmer bekannt waren, liegt es bei dieser Interessenlage nahe, daß die Baulast sich auf eben dieses Vorhaben bezog und auch hierauf beschränkte.

  2. Wie verhielt es sich mit der Baulast im konkreten Fall?

    Hier hieß es in der Baulastverpflichtungserklärung (für eine sog. Abstandsflächenbaulast) unter anderem, dass die Verpflichtung „für das Bauvorhaben auf dem Flurstück 1780“ übernehme. Die entsprechende Baugenehmigung war kurz zuvor erteilt und der Baulastverpflichteten bekannt gemacht worden. Die Baulast bezog sich also auf ein konkretes Vorhaben (vorhabenbezogene Baulast). Ist nun aber einer solchen konkretisierten Baulast jede spätere Änderung des Bauvorhabens ausgeschlossen? Was folgt aus der Abstandsflächenbaulast? Das OVG entschied:

    Wird eine sog. Abstandsflächenbaulast übernommen, schließt die dafür abgegeben Erklärung im Umfang ihrer Reichweite eine nach § 68 Abs. 3 HBauO erforderliche nachbarliche Zustimmung zu einer grenznahen Bebauung ein. Besonderheiten einer solchen Abstandsflächenbaulast, wie sie hier übernommen worden ist, rechtfertigen dagegen nicht, von einer notwendigerweise weitergehenden Bedeutung der Baulast für künftige Veränderungen oder weitere Vorhaben auszugehen (so auch OVG Saarlouis, Beschluß vom 11.11.1998 -2 Q 20/98-). Soweit der VGH Mannheim für das baden-württembergische Landesrecht eine andere Auffassung vertritt (vgl. Urteil vom 27.10.2000, BauR 2001, S. 759 ff.), folgt der erkennende Senat dem nicht. Die vom Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang herangezogene Vorschrift des § 7 Satz 2 HBauO gibt dafür nichts her. Sie betrifft die Nutzung der Baulastfläche selbst, für die nach § 7 Satz 1 HBauO gesichert sein muß, dass sie nicht überbaut oder anderweitig als Abstandsfläche angerechnet wird, und räumt ihrem Eigentümer die Möglichkeit ein, sie dennoch für solche baulichen Anlagen zu nutzen, die in Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können. Für den durch die Abstandsflächenbaulast begünstigten Nachbarn ergibt sich dadurch keine zusätzliche begünstigende Wirkung. Im übrigen handelt es sich bei Erkern nach der Gesetzessystematik des § 6 HBauO ohnehin nicht um bauliche Anlagen, die in Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können, sondern um Gebäudeteile, die nach den allgemeinen Abstandsflächenregeln -wie es hier der Fall ist- unerheblich sein können, dafür aber den besonderen Grenzabstand nach § 6 Abs. 11 HBauO wahren müssen.

  3. Welche Rolle spielt der Vorhabenbezug der Baulast bei der Beurteilung späterer Änderungen?

    Das OVG stellte hierzu fest:

    Aus der Vorhabenbezogenheit einer Baulasterklärung folgt allerdings nicht, dass der Baulastübernehmer jeder nachträglichen Änderung des Vorhabens, das auf ihrer Grundlage genehmigt worden ist, widersprechen kann. Es sind vielmehr in größerer Zahl Änderungen vorstellbar, durch die weder Rechte noch Interessen des Baulastübernehmers berührt werden und die daher die Frage der Baulast bei verständiger Würdigung nicht erneut aufwerfen. Soweit das OVG Saarlouis (vgl. aaO) auch bei solchen Änderungen das Vorhaben nicht mehr als durch die Baulast gedeckt ansieht, erscheint dies zu eng. Einer weiteren Vertiefung bedarf dies hier nicht. Jedenfalls solche Veränderungen, die für sich betrachtet seiner neuerlichen nachbarlichen Zustimmung nach § 68 Abs. 3 HBauO bedürften, betreffen einen durch die HBauO besonders geschützten Rechtsbereich des Baulastübernehmers. Für sie kann bei einer vorhabenbezogenen Baulast, wie sie hier vorliegt, die Zustimmung nicht schon als im Vorwege eingeschlossen angesehen werden.

  4. Übrigens:

    Der Umstand, dass die Klägerin während der Anhängigkeit des Berufungsverfahrens ihr Grundstück verkauft hat, hindert sie nicht an der Fortführung des Verfahrens. Gemäß §§ 173 VwGO, 265 Abs. 2 ZPO, die hier anzuwenden sind (vgl.: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 12. Dezember 2000 – 7 B 68/00 -), hat die Veräußerung des Grundstücks insoweit keinen Einfluss auf den Prozess.

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